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fcpX – Final Cut Pro X: Unzulänglichkeiten und was wirklich nervt

Last updated on 30. April 2018

Das ungeliebte Schnittprogramm Final Cut Pro X hat sich trotz aller Widerstände und vehementer Kritik am Markt etabliert. Kommt man mit der nicht weiterentwickelten Programmierung von Final Cut 7 an seine Grenzen, so liegt es nahe, nicht zu Avid zu wechseln sondern auf der gleichen Plattform zu bleiben. Dafür spricht natürlich auch der relativ geringe Anschaffungspreis im Gegensatz zur Avid-Welt. Darüber hinaus gibt es etliche Webseiten, die propagieren, dass das Unbehagen über die komplett andere Arbeitsweise nicht am Programm liegen würde, sondern an eingefahrenen (überkommenen) Arbeitsabläufen der Benutzer, die sich einer neuen, besseren Welt gegenüber sträuben würden.

Mein Fazit lautet: Diese Argumentation hat zum Teil ihre Richtigkeit, stimmt aber im Großen und Ganzen nicht. Die Grundidee von Final Cut Pro X liegt darin, dass man sich von festen Bearbeitungslinien löst (Spuren) und stattdessen mit frei fließenden Clips arbeitet, die man gegenseitig aneinander fixiert und so am Ende zu einem flexiblen, frei fließenden, komplexen Gebilde kommt, das sich wie eine Fischschwarm immer wieder automatisch neu formiert und nicht an starren Linien verhaftet ist.

Dies funktioniert während einer Ideen- oder Strukturfindung wirklich prima. Auch wenn es nicht so genau auf ein paar Bilder oder Sekunden hin oder her ankommt und man einfach schnell mal einen Video-Clip zusammenbasteln will, ist diese Form der Bearbeitung sicher extrem effizient und schnell. Man bedenke nur, wie umständlich es ist in Final Cut 7 zwei Clips gegenseitig auszutauschen. Auf der anderen Seite sind klar definierte Spuren (vor allem beim Ton) ein echter Segen und natürlich auch eine wirkliche Strukturhilfe, die dem Schnittmeister (ja, so heißt dieser Beruf) helfen nicht in die Beliebigkeit abzurutschen.

Schaut man sich den Schritt vom „richtigen“ Schnitt am Steenbeck, zum elektronischen Schnitt an, so gab es schon in dieser Generation einen komplett neuen Arbeitsablauf. Beim klassischen Filmschnitt kam das Material aus dem Kopierwerk und wurde von der zweiten Assistentin erst einmal beschriftet. Mit einem weißen Stift, per Hand, alle paar Bilder wurde die Klappennummer auf den Filmstreifen geschrieben. Danach kam die erste Assistentin und hat das Bildmaterial mit dem Tonmaterial synchronisiert, das Ganze abgelegt und ordentlich in ein Regal sortiert. Manchmal im gleichen Raum oder direkt daneben saß in der Regel eine weibliche Schnittmeisterin. Bevor der Schnitt begann wurde mit Regie, Kamera und ein paar engagierten Filmteammitgliedern (Regieassistenz, Continuity, Kostüm, Ausstattung) das Material durchgeschaut (Muster schauen) und die Schnittmeisterin hat sich währendessen Notitzen gemacht. D.h. bevor der Schneideprozess losging hatten alle das Material schon einmal in normaler Geschwindigkeit ganz durchgesehen und die Schneideraummitarbeiter hatten davor schon eine Sortierstruktur aufgebaut. Danach hat die Schnittmeisterin nicht einfach angefangen die Filmbilder wild zu zerschneiden und neu zusammenzukleben, denn zu oft hinundhergeschnitten bedeutete das Ganze nachbestellen, neu zu bezeichnen, zu sortieren und zu synchronisieren.

Die Schnittmeisterin hat sich das Material erneut angesehen und sich eine Struktur, eine Herangehensweise ausgedacht bzw. erarbeitet, bevor sie tatsächlich anfing das Filmmaterial in Stücke zu schneiden und neu zusammenzukleben. Hatte der Regisseur eine Änderung, so dauerte dies manchmal eine Stunde, in der der Kopf ruhen konnte und man dann mit neuem Blick und mit zeitlichem Abstand die Änderung betrachtete.

Mit dem digitalen Schnitt war dies alles vorbei. Von nun an legten die meisten Schnittmeisterinnen – jetzt einsam und allein im Schneideraum – einfach los und es passierte mir nicht nur einmal, dass ich fragte, wo ist denn die schöne Großaufnahme und ich zur Antwort bekam: „Was für eine Großaufnahme?“ Die Mühe sich alles vorhandene Material vorab ganz anzuschauen haben sich die Schnittmeisterinnen von da an nicht mehr durchgehed gemacht. Auch für den Regisseur änderte sich die Welt komplett, nicht mehr denken, dann entscheiden und dann warten bis die Korrektur fertig ist und dann mit Abstand neu bewerten, sondern ausprobieren, war fortan die neue Devise.

Das muss nicht immer schlechter sein, unterscheidet sich aber grundlegend vom klassischen Schnittvorgang. Statt denken jetzt probieren und ändern und wieder ändern und sich so langsam herantasten an eine Lösung oder einen Rhythmus, der aber vielleicht gerade im vielen Probieren kaum noch zu finden ist. Der Betrachter findet in der kurzen Zeit keinen Abstand mehr und versinkt in der Bilder und Tonflut. Dies führt nicht unbedingt zu schlechteren Ergebnissen, aber zu anderen.

Final Cut Pro X löst diese Grundstruktur nun vollends auf, indem es die dem Steenbeck-Schneidetisch nachempfundenen Spuren, in denen die Bänder synchron übereinander laufen, ganz aufgibt und den frei schwebenden Clip in den Mittelpunkt stellt und diesen mit Eigenschaften versieht (Rollen etc.) Dies funktioniert aber z.B. beim Export der Tonspuren zu ProTools nur bedingt, da es sehr schwer ist aus den Tonschnipseln mit Rollenmarkierung wieder klare Ebenen zu definieren, wie „Atmo-Spur“, „Angel Video 1“, „Anstecker Video 2“ etc. Was dazu kommt ist, dass der Cutter (wie er/sie jetzt heißt/en) auch gar nicht die Möglichkeit hat eine klare Ebenenstruktur in seinem Kopf aufzubauen. Es wabbert und verschwimmt quasi alles in einem diffusen Gefühl.

Wenn man mit fcpX anfängt, möchte man am liebsten mit schwarzem Füllmaterial eine schöne feste Spur machen und dann daran die ganzen Film- und Tonclips befestigen, quasi einen „Not-Avid“ kreieren. Aber dies macht natürlich überhaupt keinen Sinn, da man trotzdem im weiteren Schnitt ständig an Apples Dickköpfigkeit stößt, uns seine neue Philosophie auf Teufel komm raus aufdrängen zu wollen. Was wie man sieht mit der entsprechenden Markmacht auch gelingt.

Ich persönlich finde es sehr hilfreich und „schön“ zu wissen, dass z.B. der Hauptton der zweiten Videospur immer auf „A5“ liegt und ich in ProTools auf der fünften Spur auch genau diesen Ton wiederfinde. Mit einem Klick könnte ich dann auch diese Spur abschalten, dazu müsste ich in fcpX erstmal durchgehend und konsitent jeder Clipspur eine „Rolle“ vergeben. Will man dagegen erstmal wild einfach ein paar Clips hintereinander hängen, ohne sich um alles Weitere zu kümmern, den einen da weg und dort wieder hin, den von Vorne etwas weiter nach hinten, dann ist Final Cut X wirklich prima. Will man allerdings mal 3 Bilder nach vorne verschieben oder den Clip, der mit Video zwei verbunden ist an der selben Stelle mit Video eins verbinden, dann wird es schwer. Wie Abspielen nur vom letzten Schnitt bis zum nächsten geht, habe ich auch noch nicht herausgefunden und dass es keinen echten Viewer mehr gibt, mit allen Abspielwerkzeugen, in dem ich meine In-Punkte und Out-Punkte genau setzen kann, ist einfach nur eine dumme überhebliche Ignoranz der Apple-Programmierer.

Vieles habe ich als „verbohrter“ Final-Cut-7-Benutzer sicher noch nicht entdeckt und vieles regt mich unglaublich auf, da es mir die Arbeit unnötig schwer macht und mich ständig zu einer Arbeitsweise zwingt, die Apple gut findet, aber nicht ich. Ich mag es als professioneller Rennfahrer nicht, wenn die automatischen elektronischen Straßenmarkierungen, die Mechaniker in der Box und die Vorgaben der sonstigen Elektronik ständig an meinem Lenkrad zerren. Auch finde ich es unangenehm wenn auf dem Rücksitz permanent ein Mechaniker von Mercedes oder Ferrari sitzt und meine Lenkbewegungen ändert oder nachkorrigiert, das mag ja alles gut gemeint sein, lässt aber nicht unbedingt eine gute Kurvenlinie und einen optimalen Rennrhythmus aufkommen. Man schlingert dann von allen Seiten korrigiert über den Kurs und es entsteht eine Mischung von dem, was man eigentlich wollte und dem was die Programmierer von Apple glauben, was man wollen sollte.

Man könnte auch von ProTools lernen wo es die Möglichkeit gibt zwischen „Shuffle“ und „Grid“ umzuschalten, also vom freien Fluß und in der anderen Einstellung, die Ausrichtung an einem Gerüst oder Bilderraster. So könnte man in einer ersten Phase wild herumspielen, alles fließt und hüpft und springt und dann wenn es um die Feinstruktur geht, die Clips in der wieder auferstehenden „Timeline“ andocken, die Tonspuren sauber verteilen und die weitere Postproduktion wäre viel einfacher.

Im Folgendenden möchte ich ein paar Dinge auflisten, mit denen ich hadere. Vielleicht gibt es ja eine wunderbare Tastenkombination, die das Problem mit „Apfel-Alt-Cmd-ü“ löst, nur dass ich diese noch nicht entdeckt habe. Ich freue mich – und viele Andere sicher auch – über Anregungen und Tips!

Was an Final Cut X wirklich nervt:

  • Bei Multi-Cam-Clips wird in der Bearbeitungsleiste nicht der Name des Multi-Cam-Clips angezeigt sondern der Name einer einzelnen Videospur.
  • Wie unterscheidet man einen Multi-Cam-Clip-Kameraumschnitt und einen normalen Schnitt in der Anzeige. Beides sind die gleichen gestrichelten Linien.
  • Wenn meine Maus zufällig auf einer Videospur liegt, springen Aktionen nicht auf die Abspielposition (Playhead), sondern dahin wo gerade zufällig der Mauszeiger liegt. Das ist richtig nervig. In den Einstellungen kann man das Ganze noch verschlimmern, indem man den Abspielkopf dann auch noch dahin springen lässt. (Der Mechaniker, der dem Rennfahrer permanent ins Lenkrad greift.)
  • Apple sagt: „In Final Cut Pro X 10.1.2 oder höher haben Sie vollständige Kontrolle über die Speicherorte für importierte Dateien und erstellte Medien …“, warum importiert FCPX dann Medien in die Mediathek, obwohl ich „Am Speicherort belassen“ angekreuzt habe? Bei Kameradaten in der normalen Ordnerstrucktur der Sony FS7 muss ich alles aus dem obersten Ordner herausnehmen, damit FCPX nicht eigenständig das ganze Material verdoppelt, nur weil es meint, dass es eine Speicherkarte ist. Andere Dateien werden ebenfalls kopiert, statt referenziert, welche, wann und warum habe ich noch nicht herausgefunden. Siehe auch hier den Blogbeitrag über das Referenzieren –>
  • In der zweiten Spur werden keine Schwarzbilder akzeptiert (ALT+W). Warum? Wenn ich ein Interview grob schneide, in der ersten Spur Texthänger herausschneide und anzeigen will, dass ich hier später ein Bild darüber brauche, kann ich kein Schwarzbild einfügen. Das herausziehen einer Schwarzsequenz aus der ersten Spur in die zweite wird ebenfalls blockiert.
  • Wo steht mein Text eines einfachen Titels, dazu gibt es keine Zahlen, die man einstellen kann. Man kann dem Text dann später ein Offset geben, aber von wo? Der Text scheint, wenn man ihn mit dem Cursor bewegt, in bestimmte Bereiche einzurasten, dies aber auch nur vage. Text und Final Cut X sind keine Freunde. Hilfslinien oder ein Raster sucht man vergebens. Lieber gleich die Finger von allen Textelementen in FCP X lassen!
  • Man klickt in ein Feld mit einer Einstellungszahl für einen Effekt oder einen Versatz, tippt die Zahl ein und bestätigt mit der Enter-Taste, dann kann es passieren, dass sich beim Wegziehen des Mauszeigers vom Feld die Zahl ändert, als ob der Mauszeiger sie nach oben oder untern ziehen würde. Wenn man es nicht sofort merkt, da man ja schließlich mit der Enter-Taste abgeschlossen hatte, sucht man lange vergeblich den Fehler oder wundert sich, dass alles schief hängt.
  • QuickTime Gamma Shift – kommt man nach der Lichtbestimmung von DaVinci Resolve zurück zu FCPX wundert man sich, warum plötzlich alles so hell ist. Der „Fehler“ oder das Probelm liegt bei QuickTime, das unter FCPX liegt, und aus irgendwelchen Gründen (vielleicht um die Darstellung auf Mobilgeräten zu ändern) das Gamma verändert. Schaut man sich das Ganze dann z. B. auf dem VLC-Player an, dann stimmen die Farben.
  • Einen Clip oder einen Titel in der „Timeline“ nach oben schieben, ohne dass man links oder rechts wegrutscht. Dafür gab es früher einfach die Hochstelltaste, mit der man einen Clip, ohne ihn seitlich zu verschieben, auf eine andere Spur bewegen konnte. Will man jetzt einen Titel über einen Clip bewegen, geht das nicht mehr, der Clip wandert bei der Mausbewegung nach links oder rechts weg. Immerhin wird einem der Wert angezeigt, so dass man danach mit einer Zahleneingabe und plus oder minus wieder korrigieren kann.

 

Autor: Thomas Hezel

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Peter Peter

    Die nicht vorhandene vertikale Struktur ist aus meiner Sicht eine absolute Katastrophe! So wird ein Projekt definitiv nicht „lesbarer“.

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